LG Verden lehnt Eröffnung des Verfahrens ab, Sexualdelikt

Strafverteidiger und Vermeidung der Gerichtsverhandlung

09.08.2016 - Beschluss des LG Verden (35 KLs 12/16) über die Ablehnung der Anklage wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs. Das Landgericht Verden/Aller ist unserer Argumentation und Analyse der Beweislage gefolgt und hat das Hauptverfahren nicht eröffnet. Dem Mandanten blieb eine Gerichtsverhandlung erspart.

Das gerichtliche Zwischenverfahren kann gerade auch bei Sexualstrafverfahren genutzt werden, um nach der Anklageerhebung eine Gerichtsverhandlung noch zu verhindern. Dieses Zwischenverfahren kann auf verschiedene Weise seinen Abschluss finden, nämlich durch die Eröffnung des Hauptverfahrens oder durch einen Ablehnungsbeschluss oder auch durch die Einstellung des Verfahrens.

Ein Eröffnungsbeschluss darf nur ergehen, wenn der Angeschuldigte aus Sicht des Gerichts einer Straftat wirklich hinreichend verdächtig erscheint (§ 203 StPO), d.h. es muss nach Auffassung des Gerichts die Wahrscheinlichkeit bestehen, dass der Angeschuldigte in der Hauptverhandlung wegen der ihm zur Last gelegten Tat verurteilt wird.

Ein Ablehnungsbeschluss, d.h. die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens kann aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erfolgen (§ 204 StPO). Das Gericht erlässt einen Ablehnungsbeschluss wenn Prozessvoraussetzungen fehlen oder wenn das Gericht die Beweismittel nicht für ausreichend hält oder wenn die Anklage eine Straftat nicht schlüssig begründet.

Außerdem kann das Gericht im Zwischenverfahren auch das Verfahren aus Opportunitätsgründen nach Maßgabe der §§ 153 ff. StPO einstellen, wenn Staatsanwaltschaft und Angeschuldigter ihre Zustimmung erklären.

Aussagepsychologische Gutachten sind oft entscheidend

Aussagepsychologische Gutachten werden in Strafverfahren zahlenmäßig bei weitem am häufigsten in Sexualstrafverfahren in Auftrag gegeben, in denen es oft weniger objektive Beweismittel gibt und nur eine belastende Zeugenaussage. Die aussagepsychologische Begutachtung kann sich bei auffälligen Befund- und Anknüpfungstatsachen einmal mit der Aussagetüchtigkeit der zu untersuchenden Aussageperson befassen und zum anderen – wenn grundsätzliche Aussagetüchtigkeit vorliegt - mit der Glaubhaftigkeit der Aussage.

Bei der Aussagetüchtigkeit geht es um die Fähigkeit der Aussageperson, zu dem Sachverhalt überhaupt eine angemessene Aussage zu machen. Aspekte der Untersuchung sind die Wahrnehmungsfähigkeit des Zeugen und die Fähigkeit, das Wahrgenommene im Gedächtnis zu behalten und bei Gelegenheit abzurufen und wiederzugeben.

Für Kinder gibt es hinsichtlich der Fähigkeit, über autobiografische Erlebnisse zu berichten, bestimmte Erfahrungswerte zu einzelnen Altersstufen. Bei Jugendlichen oder Erwachsenen setzen Einschränkungen der Aussagetüchtigkeit eigentlich immer psychopathologische Beeinträchtigungen voraus, die man u.a. unter dem Einfluss psychotroper Substanzen auf den Zeugen sieht und bei psychotischen Zuständen zum Zeitpunkt der Wahrnehmung des Geschehens oder der späteren Befragung des Zeugen. Psychopathologische Beeinträchtigungen der Aussagetüchtigkeit sind – unter Hinzuziehung eines Psychiaters - mit den klinisch diagnostischen Methoden aufzuklären.

Wenn einem Zeugen schon die Aussagetüchtigkeit in Bezug auf den in Rede stehenden Sachverhalt abgesprochen werden muss, ist für die weitere Untersuchung der Glaubhaftigkeit seiner Aussage kein Raum mehr. Bei der Untersuchung der Glaubhaftigkeit der Aussage geht es darum, ob die Aussage auf einem tatsächlichen Erlebnis basiert oder ob entweder eine absichtliche motivierte Falschdarstellung („intentionale Lüge“) vorliegt oder eine subjektiv vom Zeugen für wahr gehaltene Darstellung, die aber keine Entsprechung in der Realität hat („Pseudoerinnerung“), wobei dann regelmäßig suggestive Einflüsse auf die Aussage zu untersuchen sind.

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