CyberTipline Reports

Alle US-amerikanischen Provider sind gesetzlich verpflichtet, im Hinblick auf Kinderpornographie und insbesondere kinderpornografische Bilddateien – in Deutschland strafbar gemäß § 184b StGB als Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften – alle ihnen bekannt gewordenen strafrechtlich relevanten Sachverhalte an die halbstaatliche Organisation "National Center For Missing and Exploited Children" (NCMEC) weiterzugeben. Die NCMEC nimmt auch Hinweise von Privatpersonen entgegen.

„CyberTipline Reports“ gegen Kinderpornographie

Die beim NCMEC gesichteten Hinweise werden in den sog. „Cyber Tipline Reports" verarbeitet, aus denen sich in standardisierter Form alle für die Prüfung der strafrechtlichen Relevanz sowie für die weiteren Ermittlungen erforderlichen Informationen ergeben. Diese standardisierten Berichte werden an die Ermittlungsbehörden in den USA und im Ausland weitergeleitet.

Rechtsanwalt zu Kinderpornographie: Ermittlungsansätze aus den USA

Das Bundeskriminalamt hat seit März 2014 die Möglichkeit, auf die Datenbank beim "National Center For  Missing and Exploited Children" (NCMEC) zuzugreifen, und „Cyber Tipline Reports“ und die dazugehörigen Beweismittel zu bekommen. Auf dem Weg erhält das Bundeskriminalamt zum Beispiel die Mitteilung, dass ein bislang unbekannter Nutzer eines bestimmten Internetdienstes unter Nutzung einer genau bezeichneten IP-Adresse an einem bestimmten Datum zu einer bestimmten Uhrzeit kinderpornografische Schriften ins Internet hochgeladen hat. Eine solche Mitteilung begründet in Deutschland den Anfangsverdacht für weitere Ermittlungen. Der für die IP-Adressen zuständige deutsche Provider teilt der Polizei auf Anfrage mit, welchem Kunden die jeweiligen IP-Adresse zum Tatzeitpunkt zugeteilt war.

anlassunabhängige Recherchen

In Deutschland gibt es verschiedene Varianten anlassunabhängiger Recherchen. In NRW setzt das Cyber-Recherche- und Fahndungszentrum des LKA NRW für anlassunabhängige Recherchen u.a. die Software „Abuse“ ein, u.a. um maschinell nach kinderpornografischem oder jugendpornografischem Inhalten im eDonkey2000-Netzwerk zu suchen. Dabei werden Anbieter anhand der IP-Adresse identifiziert. Das Programm arbeitet mit Referenz-Dateien mit kinderpornografischem oder jugendpornografischem Inhalt, aus denen der ed2k-Hashwert generiert wird, sozusagen der digitale Fingerabdruck. Gesucht werden im Netz Dateien mit identischem Hashwert, die zur IP-Adresse des Benutzers führen, dessen Identität in weiteren Ermittlungsschritten geklärt wird. Über eine Whois-Abfrage wird der Internetprovider zu der festgestellten IP-Adresse ermittelt und der zuständige Internetprovider wird gem. § 100j StPO (sog. Bestandsdatenauskunft) i.V. mit § 113 TKG aufgefordert, die Bestandsdaten des Anschlussinhabers mitzuteilen. Die so ermittelten Personalien werden dann weiter überprüft, u.a. anhand schon vorhandener kriminalpolizeilicher Erkenntnisse oder anhand der OSINT-Recherche (Recherche in öffentlichen Datennetzen) oder indem die Polizei am ermittelten Wohnsitz recherchiert, ohne an die Person heranzutreten.

Verdacht des Verbreitens kinderpornographischer Schriften § 184b Abs. 2, 4 StGB

Wenn ein Benutzer identifiziert wird, begründet das sofort auch den Verdacht des Verbreitens kinderpornographischer Schriften (§ 184b Abs. 2, 4 StGB), da eine Datei, die sich in dem für das Netzwerk freigegebenen Ordner befindet, auch von jedem anderen Teilnehmer des eDonkey2000-Netzwerkes heruntergeladen werden kann. Aber selbst wenn ein Beschuldigter kinderpornographische Schriften über Tauschbörsen auf seine Datenträger geladen hat, bedeutet das nicht zwangsläufig, das ihm in Bezug auf das Verbreiten vorsätzliches Handeln nachgewiesen werden kann. Viele Benutzer haben nicht das technische Wissen, um diese Zusammenhänge – automatische Weitergabe - zu erkennen. Sie wissen nicht, dass beim Downloaden zumindest die jeweils heruntergeladene Datei automatisch zur Weitergabe an andere Interessenten freigegeben wird. Insofern muss das Downloaden kinder- bzw. jugendpomografischer Dateien aus Tauschbörsen nicht immer außer dem Besitzverschaffen (§ 184b Abs. 4 StGB) auch eine Verbreitungshandlung i.S.v. § 184b Abs. 1 StGB - mit dem deutlich höheren Strafrahmen – darstellen.

Durchsuchung der Wohnräume

Wenn bei einer anlassunabhängigen Recherchen ein Benutzer identifiziert wird, ordnen die Amtsgerichte auf Antrag der Staatsanwasltschaften regelmäßig gemäß §§ 102, 105 StPO die Durchsuchung der Wohnräume einschließlich sämtlicher Nebengelasse und Fahrzeuge an und gem. §§ 94, 98 StPO die Beschlagnahme von Beweismitteln, insbesondere von Computern und Datenträgern mit kinderpornographischen Bilddateien und Videodateien.

Auswertung sichergestellter Datenträger

Die Auswertung sichergestellter Datenträger kann ohne jede Änderung der  Datenträger durchgeführt werden. Gesucht wird in den eDonkey2000-Fällen nach vorhandener Peer-to-peer-Software und nach dem Internetverlauf, wobei auch versteckte, gelöschte und teilweise überschriebene Daten in die Suche einbezogen werden.

Rechtsanwalt zu Kinderpornografie: Im "Papierkorb" ist nicht ganz weg

Kinderpornografische Dateien, die der standardmäßige Windows-Nutzer in den „Papierkorb“ geschoben hat, sind nicht weg. Der „Papierkorb“ ist im eigentlichen Sinne nämlich nur ein Verzeichnis auf einer Festplatte, dessen Inhalte später durch den Nutzer gelöscht werden können. Bis zur endgültigen Löschung stehen sie dem Nutzer zur Verfügung und werden in jedem Falle bei der Prüfung auf kinderpornografische und jugendpornografische Bild- und Videodateien erfasst.

Bei der Auswertung beschlagnahmter Datenträger geht es immer um die Feststellung, ob – und in welchem Umfang - strafrechtlich relevante Dateien vorhanden sind. Insbesondere in Bezug auf den zu ermittelnden Vorsatz des Betroffenen interessiert sich die Auswertung besonders auch für die Ablagestruktur der strafrechtlich relevanten Dateien, gelöschte Dateien und auf externen Datenträgern gespeicherte Dateien, die jeweiligen Speicherungspfade, das Erstelldatum und für das Datum des letzten Zugriffs.

Auswertung von Datenträgern auf kinderpornografische Bild- und Videodateien - Zeitstempel

Bei der forensischen Auswertung von beschlagnahmten Datenträgern auf kinderpornografische und jugendpornografische Bild- und Videodateien beziehen sich die Ergebnisse zwar auf den Zeitpunkt der Auswertung. Darüber hinaus können aber auch Erzeugungsdaten von Dateien – gemessen an der vom Nutzer eingestellten Systemzeit - ermittelt werden. Dabei geht es in erster Linie um das Erzeugungsdatum der Datei auf dem untersuchten Datenträger, nicht um das frühere Erzeugungsdatum derselben Datei auf einem anderen Datenträger. Ermittelt werden können bei der Prüfung auf kinderpornografische und jugendpornografische Bild- und Videodateien regelmäßig auch das Datum und die Uhrzeit der letzten Änderung und des letzten Zugriffs auf die Datei. Alle diese Daten können im Strafverfahren für Fragen des Vorsatznachweises und der Verjährung von erheblicher Bedeutung sein. Das gleiche gilt für Videoabspielzeiten.

Zufallsfunde neben Kinderpornografie

Die Auswertung der beschlagnahmten Datenträger erstreckt sich auf kinderpornografische und jugendpornografische Bild- und Videodateien, d.h. die Wahrscheinlichkeit von anderen Zufallsfunden (z.B. unter Verletzung von Urheberrechten heruntergeladene Spielfilme etc.) ist nach meiner Erfahrung gering. Die Datenträger werden mittels einer Software gezielt nach kinderpornografischen Dateien gescannt. In der Regel wird dafür eine Software (X-Ways Forensics o.ä.) eingesetzt, die unter Berücksichtigung der Rechtsprechung über selektive Filtermöglichkeiten verfügen muss. Eine zusätzliche Prüfung auf kinderpornografische und jugendpornografische Bild- und Videodateien oder andere Zufallsfunde „per Hand“ wird von den Staatsanwaltschaften in der Regel aus Zeit- und Kostengründen nicht in Auftrag gegeben.

Bei der maschinellen Auswertung auf kinderpornografische und jugendpornografische Bild- und Videodateien werden aber auch versteckte, gelöschte (wenn sie wieder herstellbar sind), archivierte und teilweise sogar überschriebene Dateien erfasst.

Es kommt selten vor, dass sich auf den Datenträgern versteckte verschlüsselte Bereiche oder Verschlüsselungsprogramme befinden, die nicht festgestellt werden können.

Ebenso werden gelegentlich – nicht immer - Chats, E-Mails und Internetverläufe ausgewertet. Die gewerblichen Anbieter stellen das Leistungsspektrum der verwendeten forensischen Software auf allgemein zugänglichen Internetseiten dar (vgl. z.B. cellebrite.com).

Verschärfung der gesetzlichen Mindeststrafe bei §§ 184b, 184c StGB

§ 184b StGB sieht inzwischen eine Mindeststrafandrohung von einem Jahr Freiheitsstrafe für alle Umgangsformen mit tatsächlicher und wirklichkeitsnaher Kinderpornografie vor. Andere Straftaten, die massive Gewaltanwendungen (zB §§ 224, 225 StGB) oder erhebliche Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung zum Gegenstand haben (§§ 232, 232?a StGB) sind mit geringeren Mindeststrafen bedroht.

Wenn die Kriminalstatistik im Jahr 2019 knapp 65?% mehr Delikte der Kinderpornografie registriert, darf nicht verkannt werden, dass dabei vermehrt Kinder und Jugendliche ohne pädophile Neigungen und junge Erwachsene als Täter von Delikten der Kinderpornografie registriert werden, die aber der fehlenden Reflexion des eigenen Handels in der digitalen Welt zum Opfer gefallen sind.

Das Bedürfnis nach einer differenzierten Betrachtung des Deliktsbereichs und der darin agierenden Tätertypen darf nicht ausgeblendet werden wenn man noch angemessen im jeweiligen Einzelfall auf den individuellen Sachverhalt eingehen will und nicht pauschal sämtliche Umgangsformen als Verbrechen einstufen will. Die Verschärfungen der gesetzlichen Tatbestände - mit erhöhten Mindeststrafen - reduziert allerdings den Spielraum der Gerichte.

 

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