Umsatzsteuerstrafrecht

Chancen der Strafverteidigung bei "Umsatzsteuerkarussellen"

Wo sog. "Umsatzsteuerkarusselle" richtig in Fahrt gekommen sind, durchsucht bald eine ganze Kohorte von Steuerfahndern beteiligte Unternehmen, Banken und Privatwohnungen. Der gerichtliche Durchsuchungsbeschluss spricht vom "Verdacht der bandenmäßigen Umsatzsteuerhinterziehung". Die Ermittlungen richten sich regelmäßig gegen alle Beteiligten, auch die, die wirklich gutgläubig in die Lieferkette geraten sind, die jetzt im Durchsuchungsbeschluss als "Umsatzsteuerkarussell" bezeichnet wird. Auch die Gutgläubigen finden sich im Schleppnetz der Steuerfahnder und müssen sich erst mühsam vom Verdacht der Tatbeteiligung befreien (s.u.).

Umsatzsteuerkarusselle basieren meistens - nicht notwendig - auf dem Netto-Wareneinkauf im europäischen Ausland, bei dem der sog. "Missing-Trader" im Inland als einer in der Lieferkette seinen Erklärungs- bzw. Abführungspflichten in Bezug auf die Umsatzsteuer nicht nachkommt. Er weist in seinen Rechnungen Umsatzsteuer aus, die ein weiterer Abnehmer an ihn bezahlt und sich vom Finanzamt erstatten lässt.

Umsatzsteuerkarusselle können mit allen Wirtschaftsgütern betrieben werden, meistens sind es aber hochpreisige Wirtschaftsgüter und kleine Waren wie Mobiltelefone, Computer-Chips oder handliche Emissionszertifikate, die nur auf dem Papier bestehen.

Der "Missing-Trader" ist nach Aufnahme der Ermittlungen nicht mehr auffindbar und im Übrigen vermögenslos. Der Einsatz von Briefkastenfirmen und Scheinunternehmen als "Missing-Trader" ist typisch, gezielte Insolvenz genauso.

"Umsatzsteuerkarussell" nennt man heute übrigens einfach alle Sachverhaltskonstellationen, bei denen im Zusammenhang mit Lieferungen innerhalb der EG (6a UStG) Umsatzsteuer hinterzogen wird. Ihnen liegt zugrunde, dass Unternehmen Waren aus anderen EU-Mitgliedsstaaten umsatzsteuerfrei importieren können. Der Weiterverkauf innerhalb des Importstaates unterliegt aber der Umsatzsteuer. Ein sog. "Umsatzsteuerkarussell" entsteht nach dem heutigen Begriffsverständnis, wenn ein Beteiligter die geschuldete Umsatzsteuer nicht erklärt und abführt. Man hat das ganze früher "Umsatzsteuerkarussell" getauft, als in vielen Fällen die Ware sogar wieder an den Initiator im EU-Mitgliedstaat zurück gelangt ist, so dass der gleiche Warenkreislauf mit derselben Ware von neuem beginnen konnte.

Bei solchen regelrechten "Karussellen", die sich mehrfach mit der selben Ware drehten, konnten die Ermittler in der Regel davon ausgehen, dass alle Beteiligten vorsätzlich handelten und sich als Tatbeteiligte strafbar machten. Die in den letzten Jahren bekannt gewordenen Fälle sind aber im Hinblick auf die nachweisbare Tatbeteiligung viel weniger eindeutig und beileibe nicht jeder muss kapitulieren, der bei einem Umsatzsteuerkarussell in die Lieferkette geraten ist. Aber aktive Verteidigung ist ratsam.

Nach aktuellen Schätzungen des Münchener Ifo-Institutes sollen dem deutschen Fiskus durch Umsatzsteuerkarusselle jährlich Umsatzsteuereinnahmen in Höhe von mehreren Milliarden Euro entgehen. Der Gesetzgeber hat mit mehreren Änderungen des Strafgesetzes reagiert.

Die Strafbarkeit von Umsatzsteuerkarussellen richtet sich nach 370 AO (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe) und in besonders schweren Fällen nach 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 5 AO (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren). Der besonders schwere Fall setzt voraus, dass der Täter als Mitglied einer Bande Umsatzsteuer verkürzt, die sich zur fortgesetzten Begehung verbunden hat. Wird von den Ermittlungsbehörden eine bandenmäßige Organisation nachgewiesen, dann besteht für jedes Mitglied der Bande die Gefahr der strafrechtlichen Zurechnung des gesamten Tatgeschehens.

Die Ermittlungsbehörden haben erweiterte Eingriffsbefugnisse, so können Umsatzsteuerkarusselle auch eine sog. "Anlasstat" für eine Telekommunikationsüberwachung gem. § 100a Abs. 2 Nr. 2 StPO sein. Auch bei einem unverdächtigen Dritten, der in der Lieferkette ist, können nach § 103 StPO Durchsuchungen angeordnet werden, wenn dort Beweismittel vermutet werden.

Dreh- und Angelpunkt der Strafverteidigung beim Umsatzsteuerkarussell ist der Vorsatz. Die Strafbarkeit setzt einen Vorsatz im Hinblick auf den gesamten Geschehensablauf voraus. Die Rechtsprechung lässt zwar für die Bejahung des Vorsatzes genügen, dass vom Verdächtigen die Einbindung in ein Karussell zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen wurde. Aber auch insoweit muss der Vorsatz erst nachgewiesen werden und es liegt auf der Hand, dass die Einlassung des Verdächtigen zum Sachverhalt mit Umsicht formuliert werden muss. Eine gute Basis für die Strafverteidigung ist, dass der Verdächtige die beleg- und buchmäßigen Nachweispflichten erfüllt hat, die sich vor allem aus 17a ff. UStDV ergeben.

In jedem Falle ist aktive Strafverteidigung erforderlich, wobei - um Missverständnisse zu vermeiden - Strafverteidigung auch in dem Rat zum Schweigen bestehen kann, bis sich die Nebel gelichtet haben. Aktive Strafverteidigung kann zudem in eigenen Ermittlungen bestehen, der Befragung von Zeugen und der Erhebung eines Widerspruches gegen die Verwertung kontaminierter Beweismittel, um nur weitere Beispiele zu nennen. Sogar das Streben nach einem "Deal" kann im Einzelfall die beste Strafverteidigung sein, zumal nachdem der gerade erst im Jahre 2001 eingeführte § 370a AO vom Gesetzgeber wieder aufgehoben wurde und auch bei Umsatzsteuerkarussellen wieder die Möglichkeit einer Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage (§ 153a StPO) besteht. Aber wie immer gilt auch beim Umsatzsteuerkarussell, dass der Strafverteidiger und sein Mandant einen "Deal" nur machen dürfen, nachdem sie alle Möglichkeiten der Strafverteidigung ausgelotet haben.

Strafverteidigung im Steuerstrafverfahren kann auf die strafprozessualen Rechte der StPO zurückgreifen, u.a. hat der Strafverteidiger das Anwesenheitsrecht bei Vernehmungen (§§ 163a, 168c StPO), auch wenn ein Beamter der Finanzbehörde die Vernehmung durchführt, und Akteneinsicht ist dem Strafverteidiger im Steuerstrafverfahren wie im allgemeinen Strafverfahren zu gewähren, auch in die Beiakten des Finanzamtes.
 
Die Strafverteidigung bei Umsatzsteuerkarussellen und die Festlegung der Verteidigungsstrategie insbesondere setzen wie immer eine Standortbestimmung voraus. Die Standortbestimmung wird maßgeblich von der Antwort auf die Frage geprägt, ob einem Beschuldigten der - zumindest - bedingte Vorsatz bezüglich der Teilnahme an einem Umsatzsteuerkarussell nachgewiesen werden kann. Bedingten Vorsatz hat nur, wer die Umsatzsteuerhinterziehung als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (vgl. zuletzt noch einmal BGH NStZ 2012, 443). Aktive Strafverteidigung wird bei der Gesamtbetrachtung vielfach den Ausschlag geben.

 

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