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Das AG Bocholt hat mit älteren Entscheidungen aufgeräumt, die bis vor kurzem undifferenziert die Kenntnis des Nutzers von der Datenspeicherung im Cache unterstellten und daran die Strafbarkeit wegen Kinderpornografie nach § 184b StGB oder Jugendpornografie nach § 184c StGB festmachten. Solche Gerichtsentscheidungen sind aber inzwischen auf Grund der technischen Entwicklung überholt. Der durchschnittliche Nutzer weiß im Zweifel gar nicht mehr, dass schon beim Betrachten von Bildern ganz schnell Daten im sog. Cache gespeichert werden.
Der Täter muss kinderpornografische Inhalte besitzen. Besitz bedeutet tatsächliche Verfügungsmacht, die voraussetzt, dass die Inhalte sich im Herrschaftsbereich einer Person befindet.
Der Besitz kinderpornografischer ektronischer Dateien ist bei ihrer Speicherung auf permanenten Medien gegeben. Nur kinderpornografische Vorschaubilder (sog. Thumbnails), die durch das Betriebssystem des Computers automatisch generiert worden sind, ermöglichen nicht ohne Weiteres sichere Erkenntnis der Ermittlungsbehörden, dass dem möglichen Täter der Besitz der Vorschaubilder überhaupt bewusst war. Das Vorhandensein der Vorschaubilder, die eine Miniaturansicht der kinderpornografischen Darstellungen enthalten, kann höchstens Indiz für die Schlussfolgerung sein, dass sich die Person zuvor die zugehörigen Bilddateien durch Herunterladen und Abspeichern in den betreffenden Ordnern verschafft hatte, wobei das auch noch den Zeitpunkt die Verjährungsfrage offen lässt. Und ein Fortbestehen von Dateien an Speicherorten, die dem durchschnittlichen Computernutzer nicht mehr ohne Weiteres zugänglich sind begründet auch bei einem durchschnittlichen Nutzer keinen Besitz. Denn Besitz setzt eine Einwirkungsmöglichkeit auf den Inhalt voraus, die man bei versteckten Dateistrukturen und Ordnern nicht annehmen kann, weil der durchschnittliche Nutzer keine Kenntnis von diesen Strukturen hat und nicht in der Lage ist, diese abzurufen.
In seiner hilfreichen Entscheidung hat das AG Bocholt (Beschl. vom 23.3.2017 – 3 Ds 540 Js 100/16 – 581/16) die übereifrigen Ermittler auch noch unter einem anderen Aspekt gebremst und zuerst daran erinnert, dass eine Bestrafung wegen des Besitzes jugendpornografischer Bilder (§ 184c StGB) nur in Betracht kommt, wenn das jugendliche Alter der abgebildeten Person auch tatsächlich bekannt ist. Sonst müsste die Abbildung schon so kindlich wirken, dass sie fast schon in die Nähe des Besitzes kinderpornografischer Bilder (§ 184b StGB) fällt. Eines ist doch eigentlich klar: Allein vom visuellen Eindruck her ist eine Unterscheidung zwischen einer 16-jährigen Jugendlichen und einer 18-jährigen jungen Frau nicht möglich. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu schon früher ausgeführt, dass weder anhand der körperlichen Merkmale noch durch eine Analyse von Gesichtszügen die Unterscheidung zwischen einer 16- oder 17-jährigen oder einer 18-jährigen Person mit hinreichender Zuverlässigkeit getroffen werden kann (vgl. BVerfG, B. v. 6.12.2008 – 2 BVR 2369, 2380/08).
Und dann ist auch die Frage noch nicht beantwortet, ob jemand beim Abspeichern wirklich vorsätzlich handelte, was ja immer Voraussetzung für eine Strafbarkeit iSd. § 184b StGB (Kinderpornografie) oder § 184c StGB (Jugendpornografie) ist. Und auch noch vorher ist zu prüfen, ob nicht sogar der Besitz schon zweifelhaft ist. Vor der Eröffnung eines Hauptverfahrens ging das AG Bocholt gründlich zu Werke und hat das Vorurteil aus der Welt geschafft, dass angeblich beim durchschnittlichen Nutzer davon ausgegangen werden kann, dass ihm die Existenz der Datenspeicherung im Cache geläufig ist und er weiß, wie diese Daten gelöscht werden können. Tatsächlich ist das eben nicht der Fall, sodass der Vorsatz entfällt.
Wir haben in unserer Praxis viele Fälle, in denen von vornherein zweifelhaft ist, ob der Beschuldigte tatsächlich an den Bildern Besitz hatte, auch wenn die Fotos tatsächlich auf seinem Rechner gefunden wurden. § 184b StGB ist eben kein reines „Unternehmensdelikt“, sondern § 184b Abs. 1 StGB i.V.m. § 11 Abs. 3 StGB setzt ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis über die Bilder voraus. Hatte der Beschuldigte überhaupt die Möglichkeit, sich die Bilder zugänglich zu machen, wenn er gar nicht wußte, dass und wie er darauf zugreifen konnte? Deshalb ist in jedem Fall die Pfadbeschreibung der jeweiligen Fotos genauer unter die Lupe zu nehmen.
Per se reicht allein der Umstand, dass automatisch kinderpornografische Inhalte auf der Festplatte des Nutzers gespeichert wurden, zum Nachweis des Besitzwillens iSd. § 184b StGB oder § 184c StGB nicht aus. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit: Das Abspeichern muss vorsätzlich geschehen und wenn der Beschuldigte gar nicht wußte, dass die Bilder im Cache gespeichert werden, so setzt die Strafbarkeit wegen § 184b StGB (Kinderpornografie) oder § 184c StGB (Jugendpornografie) frühestens ein, sobald der Angeschuldigte erkennt oder aber billigend in Kauf genommen hat, dass er Kinderpornografie besitzt und den Besitz gleichwohl fortsetzt.
Gegenteilige ältere Entscheidungen, die von einer Kenntnis des Nutzers von der Datenspeicherung im Cache ausgehen, sind auf Grund der technischen Entwicklung überholt. Der durchschnittliche Nutzer weiß im Zweifel nicht mehr, dass schon beim Betrachten von Bildern Daten im sog. Cache gespeichert werden und wenn der Beschuldigte von sich unwiderlegbar behauptet, von den Bildern keine Kenntnis gehabt zu haben, wird der Nachweis regelmäßig im Hauptverfahren nicht zu führen sein, sodass er trotz der Bilder aus tatsächlichen Gründen nicht verurteilt werden kann.
Der Gesetzgeber hat bei den Tatbeständen Kinderpornographie und Jugendpornographie (§§ 184b, 184c StGB) die Strafrahmen in den letzten Jahren kontinuierlich erhöht. Ins Auge fällt die Geschwindigkeit, mit der das Gesetz die angedrohten Strafen erhöht ohne dabei auf Empfehlungen der Expertenkommissionen und die im Schrifttum geäußerten Bedenken lange einzugehen.
Anlass für die Gesetzesänderungen wird auch in Zukunft die zunehmende mediale Berichterstattung sein, die dann Forderungen laut werden läßt, die Straftatbestände des Besitzes von kinderpornografischen Bilddateien zu verschärfen und als Verbrechen mit Mindest-Freiheitsstrafe auszugestalten. Wie kein anderer Kriminalitätsbereich ist das Sexualstrafrecht von Empörung, Pauschalisierung und politischer Instrumentalisierung betroffen.
Die Strafrechtswissenschaft sieht die reflexhaft auf Einzelfälle und öffentliche Stimmungen reagierenden Reformpläne und die eigentlich ziellose Anhebung der Mindeststrafen überwiegend skeptisch. Eine solche symbolische ad hoc-Gesetzgebung kann weder künftige Straftaten verhindern noch präventive Wirkung erzeugen, wo bisher das obere Ende des Strafrahmens nicht ausgeschöpft wird. Die permanente Erhöhung von Mindeststrafen nimmt dem Richter dann aber ein wichtiges Instrument zur Herstellung von Einzelfallgerechtigkeit.
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Rechtsanwälte Dr. Martin Rademacher & Lars Horst, LL. M. in Düsseldorf